
Wie Du dein Bewusstsein für tägliche Bewegung änderst
Menschen, die im Büro oder zu Hause arbeiten, gehen durchschnittlich 2.000 bis 3.000 Schritte pro Tag. Je nach Schrittlänge sind das kaum mehr als anderthalb bis zweieinhalb Kilometer. Für einen ganzen Tag ist das sehr wenig Bewegung. Zum Vergleich: Laufe ich zum Supermarkt meines Vertrauens und anschließend wieder nach Hause, habe ich schon eine längere Strecke zurückgelegt. Das heißt, mit nur einem Einkauf übertrumpfe ich das Tagespensum eines durchschnittlichen Schreibtischtäters.
Der Büroangestellte kann nicht einmal etwas dafür. Er lebt nur seinen gewöhnlichen Alltag in einer modernen Gesellschaft. Menschen sitzen zunehmend die meiste Zeit des Arbeitstages am Schreibtisch und vertreten sich höchstens in den Pausen mal die Beine. Zur Arbeit fahren sie im eigenen Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Ihre Einkäufe erledigen sie immer häufiger im Internet, anstatt durch die Innenstadt zu bummeln. Selbst Lebensmittellieferungen werden zur Normalität. Wer zu Hause arbeitet, muss sein Heim gar nicht erst verlassen.
Als Menschheit erfinden wir immer mehr Bequemlichkeiten. Je stressiger das Leben wird, desto mehr Abkürzungen suchen wir für die lästigen Kleinigkeiten im Alltag. Am Abend sind wir oft geistig erschöpft und lassen den Tag auf dem Sofa ausklingen. Bewegt haben wir uns bis dahin allerdings kaum.
Ich spreche aus Erfahrung, denn natürlich bin ich ein Teil dieser modernen und bequemen Gesellschaft. Als ich vor einigen Jahren noch in Vollzeit im Büro arbeitete und häufig Überstunden machte, kam ich kaum mal raus. Meinen Arbeitsweg hatte ich optimiert, da ich nur wenige hundert Meter vom Büro entfernt wohnte. Das hatte Vorteile, aber auch den Nachteil, dass ich keinen Arbeitsweg hatte, auf dem ich mich hätte bewegen können. Wenn ich abends nach Hause kam, verließ ich die Wohnung vor allem in den Herbst- und Wintermonaten kaum noch. Heute arbeite ich nicht mehr im Büro, sondern zu Hause. Das heißt, wenn ich nicht aufpasse, geht mein tägliches Bewegungspensum sogar gegen Null. Es gibt Tage, an denen ich meine Wohnung nicht verlasse – weil es nicht nötig ist.
Moderate Bewegung hält gesund
Zwei- bis dreimal in der Woche treibe ich Sport, so wie es Millionen anderer Menschen auch tun. Sport für die Massen ist eine relativ neue Erfindung, da wir uns beruflich nicht mehr bewegen müssen. Deshalb ist Sport gut und wichtig, aber er reicht nicht aus. Wer wöchentlich zweimal für 30 Minuten Joggen geht, bewegt sich gerade einmal 0,6 Prozent der gesamten Woche. Das heißt, die übrige Zeit – 99,4 Prozent der Woche – sitzt oder liegt man oder bewegt sich moderat. Wir brauchen mehr als Sport. Wir brauchen mehr von dieser moderaten Bewegung. Egal, ob ich meinen Hausarzt befrage oder einen Gesundheitsratgeber lese: Bewegung wird immer empfohlen. Neben einer gesunden Ernährung ist sie das wichtigste Mittel, um unseren Körper in Schuss zu halten. Wir müssen uns bewegen, um gefährliche Volkskrankheiten wie Diabetes, Übergewicht, Bluthochdruck etc. zu vermeiden. Diese werden auch als Lifestyle-Krankheiten bezeichnet, weil unsere Lebensweise sie maßgeblich beeinflusst – allen voran unsere Bequemlichkeit.
Als ich vor zwei Jahren ein Buch über Menschen las, die 100 Jahre und älter wurden, konnte ich von deren Erfahrungen einiges über ein gesundes Leben lernen. Diese Menschen waren auch in ihrem hohen Alter noch jeden Tag in Bewegung. Zwar trieben sie keinen Sport, aber das war auch nicht nötig. Moderate Bewegung war ohnehin eine Anforderung ihres Alltags. Sie werkelten auf ihren Grundstücken, pflegten ihre Gärten, kümmerten sich um das Vieh sowie die Hausarbeit und legten jeden Tag weite Strecken zu Fuß zurück. Vor allem diese langen Wege sind eine Gemeinsamkeit der Hundertjährigen, die der Autor in seinem Buch vorstellte.
Allerdings sieht unser moderner Alltag ganz anders aus als der von sehr alten Menschen, die überwiegend in ländlichen Regionen leben. Deshalb müssen wir unseren eigenen Weg finden, mehr Bewegung in unser Leben zu integrieren.
Ein kleiner Trick für mehr Bewegung
Wahrscheinlich weißt du das längst. Du hast es bereits oft von Experten, Ärzten und wohlmeinenden Verwandten gehört. Doch auch wenn es eigentlich leicht sein sollte, sich mehr zu bewegen – wir reden schließlich nicht von anstrengendem Sport –, so ist es dennoch schwer einen guten Vorsatz umzusetzen. Der innere Schweinehund macht uns stets einen Strich durch die Rechnung. Sobald es ernst wird, nehmen wir doch wieder den Aufzug statt der Treppe und schwingen uns ins Auto statt aufs Fahrrad.
Allerdings gibt es einen kleinen Trick, mit dem du deiner Motivation auf die Sprünge helfen kannst. Als ich mich vor einigen Jahren mehr bewegen wollte, nahm ich mir eine konkrete Zahl an Schritten vor, die ich ab sofort jeden Tag gehen wollte. In meinem Fall waren es 10.000 Schritte. Um dieses ambitionierte Ziel messen zu können, kaufte ich einen Schrittzähler – ein kleines Gerät, das ich stets in meiner Hosentasche bei mir trug. Für einige Monate nahm ich es immer mit. Seine Präsenz erinnerte mich täglich an mein Ziel. Mehrmals am Tag schaute ich auf das Gerät, um den Zwischenstand zu überprüfen. Das motivierte mich, einen ungeplanten Spaziergang einzulegen, zu Fuß zum Supermarkt zu gehen oder zusätzliche Umwege zu laufen, die eigentlich nicht nötig waren.
Da ich viel Fahrrad fahre, ließ ich auch das gelten. Aus Erfahrung wusste ich, dass ich in einer halben Stunde etwa 3.500 Schritte gehen würde, daher setzte ich für 30 Minuten Radfahren ebenfalls 3.500 Schritte an. Die konnte der Schrittzähler zwar nicht messen, aber ich rechnete sie einfach im Kopf dazu.
Bald stellte ich fest, dass es manchmal unpraktisch war, an jedem einzelnen Tag 10.000 Schritte gehen zu wollen. Hin und wieder musste ich den ganzen Tag zu Hause arbeiten. Da war es schwer, noch so weit zu gehen. Daher entschied ich mich, einen Durchschnitt von 10.000 Schritten pro Tag erreichen zu wollen. An manchen Tagen ging ich nur 5.000 Schritte, an anderen dafür deutlich mehr. Trotz dieser Einschränkung schoss ich über mein Ziel hinaus. In den ersten Monaten ging ich durchschnittlich 12.000 Schritte pro Tag.
Mein Tagesrekord liegt bis heute bei 71.376 Schritten. An jenem Tag hatte ich eine lange Wanderung von mehr als 50 Kilometern unternommen. Das blieb natürlich eine Ausnahme. Aber ohne mein neues Bewusstsein für tägliche Bewegung hätte ich einen solchen Weg vielleicht nie auf mich genommen. Seit ich meinen Schrittzähler stets dabei hatte, legte ich viel längere Wege zurück als zuvor. Ich wollte mir beweisen, dass ich diese Herausforderung bewältigen konnte. Mittlerweile steckt das Gerät nicht mehr in meiner Hosentasche, da ich mich heute nicht mehr dazu motivieren muss, mich jeden Tag zu bewegen. Ich fahre sowieso täglich mit dem Fahrrad. Deshalb brauche ich (in der Stadt) kein Auto und ich fahre selten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Wenn ich nicht mit dem Rad fahre, lege ich Wege von ein bis zwei Kilometern bewusst zu Fuß zurück. Insgesamt habe ich durch meine Zeit mit dem Schrittzähler ein gutes Gefühl dafür bekommen, ob ich mich genug bewege oder noch zulegen müsste. Vermutlich laufe ich nicht mehr 12.000 Schritte am Tag – aber deutlich mehr, als ich es vor meinem Experiment tat. Übrigens muss man sich nicht unbedingt einen Schrittzähler kaufen. Heute gibt es für Smartphones zahlreiche Apps, mit denen man die tägliche Bewegung messen kann, solange man das Gerät immer bei sich trägt. Einige davon sind sogar kostenlos. Ich wollte das nicht, um das Handy auch mal liegen zu lassen, aber es ist eine einfache und kostengünstige Variante.
Mehr Bewegung im Alltag
Bislang weißt du nur, dass du dich mehr bewegen solltest und, dass ein Schrittzähler ein nützliches Werkzeug ist, um dich zu motivieren. Ich möchte diesen Text allerdings nicht beenden, ohne ein paar konkrete Vorschläge zu unterbreiten, wie du dich im Alltag mehr bewegen kannst – teilweise ohne zusätzlichen Zeitaufwand.
Es ist wichtig, dein Vorhaben konkret zu machen. Der Vorsatz, dich „mehr bewegen“ zu wollen, ist aller Ehren wert, aber wird wahrscheinlich hinfällig, sobald es ernst wird. Wir Menschen brauchen klare Verhaltensregeln, um tatsächlich eine Veränderung anzustoßen. Wir müssen wissen, wie und wann und in welchem Umfang wir uns bewegen sollen. Erst dann können wir neue Gewohnheiten etablieren. Deshalb ist es aus meiner Sicht sinnvoll, ein Ziel mit einer Maßeinheit zu formulieren.
Ein Maß sind die bereits erwähnten Schritte. Ein anderes Maß könnte die Zeit sein, die du täglich für Bewegung aufwenden möchtest. Allerdings ist diese schwer zu messen, da du dich über den Tag verteilt oftmals für kurze Momente bewegst. Außerdem solltest du dich entscheiden, welche Gelegenheiten zur Bewegung du nutzen möchtest. Darunter fallen z. B. die Folgenden:
Der Arbeitsweg: Am liebsten sind mir Wege, die man ohnehin zurücklegen muss. Einer davon ist der Arbeitsweg. In meinem Fall fällt dieser weg, da ich zu Hause arbeite, doch ich finde das Verhalten meines Bekannten Nico vorbildlich. Nico arbeitet in einer deutschen Großstadt, wohnt aber im Umland. Sein Arbeitsweg beträgt 11 Kilometer. Diese Strecke fährt er jeden Tag mit dem Fahrrad. Als zweifacher Familienvater und Vollzeitangestellter wusste er, dass er abgesehen vom Arbeitsweg nicht viele Gelegenheiten haben würde, seinen Bewegungsdrang auszuleben.
Deshalb fährt er nun jeden Tag 22 Kilometer mit dem Fahrrad. Einzig Glatteis lässt er als Ausrede gelten. Sonst spielen das Wetter und andere Umstände keine Rolle. Im Büro kann er zwar eine Dusche nutzen, doch das macht er praktisch nie. Er fährt stattdessen so langsam, dass er auf dem Weg zur Arbeit nicht schwitzt. Erst auf dem Heimweg gibt er richtig Gas. Auch mein Steuerberater verriet mir kürzlich, dass er häufig mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt. Die Strecke beträgt 14 Kilometer.
Falls es für dich keine Option ist, den vollständigen Arbeitsweg mit dem Fahrrad zurückzulegen, ist es vielleicht möglich, einen Teil mit dem Rad zu fahren und den Rest mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Eine Alternative ist, aus dem Bus oder der Straßenbahn schon eine Station früher auszusteigen und den restlichen Weg zu laufen. Auf diese Weise kannst du ohne großen Zeitaufwand etwas Bewegung in deinen Tag integrieren.
Andere Pflichtwege: Auch andere Wege muss ich zurücklegen. Ich muss im Supermarkt einkaufen oder Besorgungen in der Stadt machen. Ich fahre zu Freunden nach Hause oder treffe sie an einem verabredeten Ort. Wenn es nicht gerade in Strömen regnet, nehme ich dafür bevorzugt das Fahrrad. Manchmal, wenn ich viel Zeit habe, gehe ich diese Strecken auch zu Fuß. Es kommt vor, dass ich Wege von bis zu sechs Kilometern laufe. Ich suche folglich nicht immer nach dem kürzesten und schnellsten Weg, sondern mache mir das Leben ein bisschen schwerer, indem ich manchmal den umständlicheren Weg gehe.
Spaziergänge ohne Verpflichtung: An manchen Tagen muss ich keine Wege zurücklegen. Ich könnte einfach zu Hause bleiben. Doch das will ich mir nicht antun. Die eigenen vier Wände drücken irgendwann aufs Gemüt und erlauben mir keinerlei Bewegung. Deshalb schnüre ich meine Schuhe und mache wenigstens einen kleinen Spaziergang von etwa 30 Minuten. Ich gehe in den nächsten Park, am Kanal entlang oder nur durchs Wohngebiet. Manchmal erkunde ich dabei Straßen, die ich noch nicht kannte.
Treppen: Wenn ich die Wahl zwischen einer Rolltreppe, einem Aufzug und einer normalen Treppe habe, nehme ich häufig Letzteres. Es ist schon lustig: An Bahnhöfen, aber auch in Bürogebäuden, stauen sich die Menschen auf der Rolltreppe oder im Aufzug, während die Treppen leer sind. So sind wir nunmal gestrickt. Wir gehen mit Vorliebe den Weg des geringsten Widerstandes. Ich versuche allerdings eine Treppe als Chance zu begreifen – die Chance, meinem Körper ohne zusätzlichen Zeitaufwand etwas Gutes zu tun.
Bewegte Spiele: Im den wärmeren Monaten des Jahres nutze ich meine Freizeit, um mich spielerisch zu bewegen. Ich spiele Tischtennis im Park oder messe mich mit Freunden im Holzwurfspiel „Kubb“. Andere Menschen bewegen sich in städtischen Parks beim Badminton, Boule, Drachensteigen oder sie werfen sich Frisbees zu. Andere fahren auf Inline Skates oder Skateboards. Bei schönem Wetter kann man folglich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Der Urlaub: Im Urlaub schraube ich mein Schrittkonto ordentlich in die Höhe. Städte erkunde ich überwiegend zu Fuß – da kommen einige Kilometer zusammen! Außerhalb von Städten plane ich kleine und größere Wanderungen ein. Ich will nicht nur im Auto umherfahren, sondern eine Region fußläufig kennenlernen. Dabei bewegt man sich nicht nur, sondern lernt das Umfeld besser kennen. Viele Details sieht man vom Auto aus nicht.
Manchmal wandere ich nur für ein paar Stunden, manchmal aber auch den ganzen Urlaub. Schon mehrmals schloss ich mich einem Freund an. Gemeinsam wanderten wir über mehrere Tage verteilt 100 bis 150 Kilometer. An den meisten Tagen liefen wir 20 Kilometer. Seitdem haben lange Wege für mich ihre Bedrohung verloren. Ich gehe nun auch in der Stadt häufiger Strecken zu Fuß, die ich sonst vermieden hätte.
Du siehst, wenn man genau hinschaut, gibt es im Alltag und im Urlaub Möglichkeiten sich mehr zu bewegen. Ich empfehle, dir einige Maßnahmen konkret vorzunehmen. Verbringe allerdings nicht zu viel Zeit mit der Planung deiner guten Vorsätze, sondern mach sofort den Realitätstest. Lege dich auf eine tägliche Norm fest – z. B. 5.000 Schritte – und leg los. Unternimm den ersten Spaziergang gleich heute und steige die erste Treppe bei der nächsten Gelegenheit hinauf. Verschiebe es nicht auf morgen. Deiner Gesundheit zulie
Über Patrick Hundt
Healthy Habits und Autor von Büchern wie „Esst echtes Essen!“, „Ausgezuckert“ und „Abgespeckt“. Beruflich wie privat beschäftigt er sich mit Themen rund um eine gesunde Lebensweise.
Da Patrick die meiste Zeit seines Lebens schwer übergewichtig war, steht die Ernährung im Mittelpunkt vieler seiner Texte. Er glaubt nicht an Diäten, sondern an Gewohnheiten, die wir alle in unseren Alltag integrieren sollten, um dauerhaft schlank und gesund zu bleiben. Dabei spielen frische Lebensmittel und der weitgehende Verzicht auf zugesetzten Zucker die zentralen Rollen. Ein wichtiges Merkmal jeder gesunden Ernährung ist das Kochen, statt auf Fertiggerichte zurückzugreifen – so die Philosophie von Patrick und seiner Blogger-Kollegin Jasmin Schindler.
Der Gewohnheitsansatz lässt sich laut Healthy Habits auf alle Bereiche des Lebens übertragen. Statt die Folgen einer ungesunden Lebensweise mit kurzfristigen Tricks zu kaschieren, empfiehlt er nachhaltige Routinen. Das gilt für die alltägliche Bewegung, den regelmäßigen Sport, aber auch für alles, was das emotionale Wohlbefinden sowie die persönliche Weiterentwicklung fördert. In einer Zeit, da viele Menschen sich gestresst fühlen und zunehmend nach dem Sinn in ihrer Arbeit suchen, sind Themen wie Gelassenheit, Glück, Freiheit und Beziehungen immer mehr gefragt. Über genau diese Themen schreiben Patrick und Jasmin bei Healthy Habits sowie hier bei Generali Vitality.